DI
05.
Dezember
2023
19:00 Uhr
Aktionsradius Wien
1200 Wien, Gaußplatz 11
CZERNOWITZ & BUKOWINA
Gespräch Pablo Rudich, Hannes Hofbauer | Moderation Andrea Hiller
„Vergesset nicht Freunde, wir reisen gemeinsam.“ So lautet eine der bekanntesten Gedichtzeilen der Lyrikerin Rose Ausländer, die 1901 in Czernowitz geboren wurde und dort lebte, bis ihre Familie 1916 vor der zweiten russischen Besetzung der Stadt im Ersten Weltkrieg nach Budapest und weiter nach Wien floh – wie viele andere ihrer Zeit. Zu ihrer Heimatstadt schreibt sie: "Vor dem Zweiten Weltkrieg war Czernowitz eine Stadt voller Schwärmer. [...] Das intensivste Interesse der Intelligenzija galt der Literatur, vor allem der deutschen. Mit zwei Namen wurde ein enormer Kult getrieben: Rainer Maria Rilke und Karl Kraus.“ – Für Jahrhunderte lag die Bukowina, das Donaugebiet zwischen Rumänien, Ukraine, Moldawien an der Schnittstelle k. und k.-monarchistischer, zaristischer und osmanischer Interessen. Nach zwei Generationen realem Sowjetsystem bzw. rumänisch-kommunistischer Bojarenherrschaft finden sich die Landstriche im Südosten Europas als Spielball neuer Machtblöcke wieder. Wirtschaftliche Krisen und immer wieder aufflackernde Auseinandersetzungen prägen das Lebensgefühl der Bevölkerung. Politisch zur Ruhe gekommen ist das je ukrainisch, moldawisch, rumänisch, gagausisch bzw. transnistrisch verwaltete Gebiet bis heute nicht. Viele jüdische Familiengeschichten sind durch Vertreibung, Flucht und Exil geprägt.
Auch Pablo Rudichs Großeltern mussten 1914 ihre Heimatstadt Czernowitz verlassen, flüchteten nach Wien – und 1938 weiter nach Montevideo. Der Enkelsohn wurde in Uruguay geboren und lebt heute wieder in Wien. Andrea Hiller begibt sich im Gespräch mit den Historikern und Autoren Pablo Rudich und Hannes Hofbauer auf historische Fährtensuche: Identitätsbegriffe und Verschiedenartigkeit des Lebens in Czernowitz, Ursachen der territorialen Zersplitterung, unterschiedlichen Besatzungen bis zu aktuellen politischen, ethnischen und sozialen Konflikten.
Pablo Rudich wurde 1964 in Uruguay geboren. Nach Aufenthalten in Stuttgart und Barce¬lona lebt er seit 1978 in Wien. Er ist Historiker und Fremdenführer mit den Schwerpunkten Wien um 1900, Jugendstilkultur, jüdische Geschichte Mitteleuropas und Architektur. Bei Mandelbaum sind erschienen: Dazwischendasein - Jüdisches Leben zwischen Czernowitz, Wien und Montevideo
Hannes Hofbauer, geboren 1955 in Wien, studierte Wirtschafts- und Sozialgeschichte und arbeitet als Publizist und Verleger. Im Promedia Verlag sind von ihm zuletzt erschienen: "EU-Osterweiterung. Historische Basis – ökonomische Triebkräfte – soziale Folgen" (2008), "Die Diktatur des Kapitals. Souveränitätsverlust im postdemokratischen Zeitalter" (2014) sowie "Feindbild Russland – Geschichte einer Dämonisierung" (2016). Hannes Hofbauer; Viorel Roman: Bukowina - Bessarabien - Moldawien. Vergessenes Land zwischen Westeuropa, Russland und der Türkei, Promedia 1997.
Eintritt: Freie Spende
Programmschiene: POESIE UND POLITIK
Themenbereich: Gesellschaft & Politik